Ein Sabbatjahr


Ist wohl einfacher, wenn wir das so machen: ein Kotau vor dem Monopolisten. Auf Wiedersehen bei facebook (öffentliche Seite)



https://www.facebook.com/larsdaniel.reizendeherren

Chile

9. Teil  (5.10.2015)

Ein Interview zum Festtag

Daniel: Lars! Nach dem basisdemokratischen Kalender „Repräsentative Demokratie – Nein danke!“, welcher den Jahreswechsel nur annimmt, wenn alle damit einverstanden sind, wirst Du morgen etwa 4 ½ Jahre alt. Wie hast Du dein zurückliegendes Lebensjahr erlebt?
Lars: Das verstehe ich nicht.
Daniel: Das ist doch nur ein Späßchen: ich karikiere mit der Fragestellung auf liebevoll neckende Weise linke und...
Lars: .Ach nein, das ist mir zu abgehoben. Ich möchte etwas Hübsches!
Daniel: Aber...
Lars: Nein, nein, nein, ich bin jetzt mal dran!
Daniel: Also gut. Wie war denn dein 38. Jahr?
Lars: Ich werde doch erst morgen 38.
Daniel: Ich weiß, aber damit endet dein 38. Lebensjahr, weil...
Lars: Das ist doch total egal.
Daniel: Also, wie war denn das Jahr?
Lars: Schön :-) …
Daniel: Aha... und etwas genauer...
Lars: Oh je, ich muss mir schon den ganzen Tag irgendwelche Vokalbeln merken und das Gefasel von Leuten übersetzen. Es ist halt so ein Gefühl, dass es schön war, das Jahr. … Na gut: also: ähm:... Highlights waren auf jeden Fall unsere Bewerbung als Pflegeeltern, Sabine und mein Stück über das Glück, ich mit Akkordeon in einem Piratenstück, meine Arbeit im JuMu und natürlich unsere Reise nach China...
Daniel: Chile!
Lars: Wie jetzt?
Daniel: Chile, nicht China!
Lars: Ist doch egal ob Asien oder Afrika. Wir sehen schöne Dinge, das ist doch die Hauptsache!
Daniel: Und was war das Schönste von allem?
Lars: Das habe ich doch gerade gesagt.
Daniel: Findest Du, Dein Mann hat irgendwie Ähnlichkeit mit einem Heiligen?
Lars: Natürlich bist Du der Tollste, aber heute geht es mal nur um MICH, ok?
Daniel: Du hast ein Hundertvierundvierzigstel Deines Lebens in Südamerika verbracht? Was hast Du dort für Dein Leben gelernt?
Lars: Dass es zu Hause doch am Schönsten ist! Ich bin jetzt noch dankbarer dafür, dass ich so ein schönes, sauberes Zuhause habe, mit so lieben Menschen um mich herum, - ach so etwas eben, Du weißt schon, schreib mal was -
Daniel: ...mit so großer Verlässlichkeit und einer so großgewachsenen Freiheit, die sich zwar manchmal hinter den dicksten Bäumen des Waldes versteckt, aber nicht aus Schüchternheit, sondern aus Schalkhaftigkeit.
Lars: Ja, genau meine Gedanken.
Daniel: Mit 38 ist das Beste runter. Außerdem bist Du ja im weitesten Sinne perfekt. Aber gibt es etwas, was Du an dir verändern willst: vielleicht lernen, neu durchdenken, revolutionieren oder sanft weiterentwickeln.
Lars: Ja.... wie soll ich das sagen... halt noch ein bisschen mehr Gelassenheit, und mehr Vertrauen... so, ne... also Dinge noch leichter nehmen und noch mehr zu sagen was ich will. Das ist aber sehr viel fürs nächste Jahr. Das habe ich in den ersten 38 Jahren ja auch nicht geschafft. (kichert)
Darf ich noch jemanden grüßen?
Daniel: Nein, die Seite voll.
Lars: Ich grüße meine lieben Ellis, meine lieben Geschwister sowie überhaupt meine ganze liebe Familie, meine lieben Freund_innen und Kolleg_innen...
Daniel: Lars? Kommt das noch was? … Lars? Vielleicht noch Grüße für die Bioprodukte bei Allnatura?
Lars: Was?
Daniel: Dein Geburtstagstext...
Lars: Ich hatte gerade so einen hüschen Vogel gesehen.
Daniel: Ein Vogel! Ein guter Schluss!

8.Teil

Seit drei Wochen wohnen wir im Haus unserer Vermieterin Maria. Maria ist nicht ihr richtiger Name, ich berichte über sie unter einem Tarnname zur Wahrung ihrer Persönlichkeitsrechte.
Maria geht auf die 60 zu und wohnt alleine in dem Haus, das sie bis zu deren Nestflucht mit ihren Kindern bewohnt hat. Aus biologischen Gründen muss es wenigstens einen Mann hierzu gegeben haben, von diesem ist aber nie die Rede.
Die nun leeren Zimmer vermietet Maria an Touristen, vornehmlich solche mit längerem Aufenthalt zum Spanischlernen. Nun darf man sich Maria nicht so sehr als die Managerin eines Hostalbetriebes vorstellen, sondern eher als liebevoll-schrullige Selfmadeesotherikerin, die recht selten das Haus verlässt und deren Schlafgarderobe von ihrem Hausanzug nur von Kennern zu unterscheiden ist.
Maria bereitet ihren Gästen morgens ein Frühstück aus (nach Wahl drei oder vier) Scheiben, Toast, einem Stück Obst (nach Wahl Apfel oder Banane) und einer Tasse Pulverkaffee zu. Die Toastscheiben werden landestypisch auf einem kleinen Rost auf dem Gasherd zubereitet, dessen Funkenschlag wir in unserem Zimmer hören können. Drei Minuten später ertönen die Worte „oh, el pan“ und im Anschluss hören wir ein Messer über angedunkeltes Brot schaben, für uns das Signal, sich an den Tisch zu setzen.
Die Tischdecke am Früstückstisch steht pars pro toto für viele Stoffe im Haus (Teppiche, Bettücher, Handtücher), deren Aufnahmefähigkeit stark strapaziert und deren Austausch dem seltenen Notfall vorbehalten wird.
Maria wäscht durchaus – auch die Wäsche ihrer Gäste –, allerdings schonend mit kaltem Wasser, was den Wiedererkennungserfolg für Wäschestücke und deren Flecken enorm steigert.
Da das Haus und die Zimmer im Zweiwochenrhytmus einer Generalüberholung (Besen) unterzogen werden, kennt Marias Arbeit Momente größerer Belastung und Phasen der Erholung, die sie auch braucht. Die Ankündigung zu „descansar“ (ausruhen), führt sie stets auf den Lippen.
Außerhalb des Hauses, haben wir Maria erst einmal gesehen – als sie uns vom Busbahnhof abholte.
Maria liebt es, uns beim Frühstück Gesellschaft zu leisten, und ist um ein Pläuschchen nie verlegen.
Wenn Maria nicht auch einigen Flöhen ein Bleiberecht eingeräumt hätte, wäre sie die erste Adresse von Valparaiso.
Wir bleiben noch drei Wochen.

7. Teil

Der südamerikanische Mann hat - mindestens - ein Problem, das der mitteleuropäische Mann nicht hat: den Machismo. Äußert sich der Mann zu einem Thema, zu einem Problem, dann abschließend. Das heißt, er referiert kurz das Thema und verrät dann die Lösung. Keine Rückfragen, keine offenen Punkte, keine Agenda.
Das ist dann - zumindest möglicherweise - zielführend, wenn zum Beispiel ein südamerikanischer Baustatiker etwas über erdbebensichere Kiesbetten für Betonpfeiler zum Besten gibt.
Wenn die Expertise fehlt, verlangt der Machismo vom aufrechten Mann aber trotzdem eine klare Position. Aufgefallen ist mir das im Sprachunterricht: mein Sprachlehrer stellte in der "Diskusssion" mit uns Schülern zunächst fest, dass die wilden Hunde in Valparaiso ein Problem seien, schon wegen der "caca", das jedoch leider nicht lösbar sei. Punkt. Nicht lösbar.
Auf seine Frage, ob wir uns beim Erdbeben gefürchtet hätten, und unsere Antwort, dies sei nicht der Fall gewesen, erklärte mein Lehrer, wir müssten uns nicht fürchten. Ein existierendes Problem erkärt es für nicht lösbar, und ein nicht existierendes löst er im Vorbeigehen. Chapeau!
Ich erlaube mir deshalb ein kleines Lob dem Zweifel, auch dem Nichtwissen - den kleinen Samenkapseln des Fortschritts -, denn wie mein Vater schon gerne zitierte: "Einer, der weiß, dass er nichts weiß, weiß mehr, als einer der nicht weiß, dass er nichts weiß."

6. Teil

Wir saßen auf der Plaza Sotomayor und sahen Folkloretänzern beim Tanzen zu (das ist gelinde unterhaltsamer, als ihnen beim Essen zuzusehen). Kurz dachte ich mir sei blümerant, aber das war es nicht. Der massive Boden geriet in Schwingung, Laternen schwankten - und die Einheimischen sahen nicht so aus, als passiere das täglich. Hephaistos oder Lars' Protest gegen die Tanznummer und anschließenden Gesang?
Die Tänzer tanzten noch, doch niemand sah sie mehr an. 90 Sekunden später erschallten in ganz Valparaiso Sirenen, die Meereskante wurde wegen Tsunamigefahr evakuiert.
Ohne in Panik zu geraten setzte sich die Menge in Bewegung, die Hänge zu erklimmen. Von oben ist das zweite Bild, das ich hinzufüge gemacht, doch die von grünen Sirenen refektierende mit metallischer Stimmen "evakuierung, Tsunami, Evakuierung, Tsunami" beschallte Innenstadt von Valparaiso kann man nicht fotografieren.
Wir haben ein Erdbeben erlebt.

5. Teil


Ein

4. Resümee über
die Schönheit

soll meine Zwischenbilanz erst mal abschließen.
Ich muss jetzt mal was Nettes über Südamerika schreiben, aber das ist für uns Deutsche (so generell will ich es manchmal meinen) gar nicht so leicht. Die Instrumente, spitzfindig das Haar in der Suppe zu finden, sind uns sprachlich und charakterlich so viel näher als das Lob, die Anerkennung, gar die Zuneigung. Süß und Fett soll uns nichts sein, und lieblich und zart auch nichts. Und wenn doch, dann im geheimen.
Also, ganz unter uns: Südamerika ist an manchen Stellen so schön, dass der ungeübte Betrachter schließlich gar nicht mehr hinsehen kann, weil er befürchten muss, sonst blind zu werden, so wie man angeblich von Ambrosia den Geschmack und von Ramstein und Beethoven das Gehör verlieren kann.
Ich habe das zu Christi Füßen auf dem Corcovado in Rio de Janiero erlebt – es ist kein Geheimns, dass wer in Rio ist, diesen Blick mit Jesus einfach teilen muss aber eben auch darf, es steht in jedem Reiseführer. Auch kein Geheimnis ist, dass die Fälle von Iguazu ein Erlebnis sind – aber warum das so ist, davor versagt das Wort und ich will es daher auch bei der Behauptung belassen, dass ich im Schlund der Fälle, das Gefühl hatte, einem Schöpfer bei der Arbeit zuzusehen, jederzeit in der Gefahr, von ihm mit verarbeitet zu werden.
Sicher weniger bekannt ist das Andenhochland zwischen dem Salzsee von Uyuni und der chilenischen Grenze. Bunte Vulkane, tiefblaue, grüe und rote (!) Lagunen mit oder ohne Flamingos, Alpakas und Lamas zweigen dem Betrachter unwirkliche Farbtafeln, Landschaften von sich räkelnder Ästhetik, die von keiner Seite es schaffen, unansehnlich zu sein. Gleichzeitig sind alle Bestandteile der Szenerie so enorm groß, dass der Gast sich wie allein mit der Unendlichkeit, sich wie geräuschlos in der allen Schall schluckenden Stille fühlt, obwohl viele Jeeps voller Turisten und lärmende Winde diesen Gefühlen eigentlich ins Gesicht lachen. Aber das hört man nicht.

So: genug Resümees. Reisen bildet zwar, aber sooo viel schlauer bin ich jetzt auch nicht geworden, dass weitere konzentriert-zähflüssige Schlaumeiereien erforderlich wären.

Ab morgen geht es weiter mit unseren Berichten aus unserer Heimat für sechs Wochen: Valparaiso.

4. Teil


Ein weiteres Resümee widmet sich heute kurz und deutsch der

3. Sauberkeit

„Ich habe gehört, die Campingplätze im Ausland seien nicht sehr sauber.“ Loriot karikierte seine Landsleute feinsinnig und ich passe mich bereitwillig dem Klischee an, wenn ich etwas mäklig bemerke: sauber war es in den letzten sieben Wochen ausschließlichin Brasilien. Und wenn wir eine amtlich ausgewiesene Müllkippe besucht hätten, wäre wohl auch diese blitzblank gewesen.
Müll liegt überall, in Ecken, auf Plätzen, auf Straßen, neben Straßen und am Strand. Wenn ein Platz völlig müllfrei ist, lehrt die Erfahrung, dass dies ledigich dem Wind zu danken ist, der über den Platz eine Schneise gezogen – und dann freilich den Unrat vor dem nächsten Hindernis aufgeschichtet hat.
Auch hier ist die einfachste Erklärung für den Missstand irreführend: es gibt eine Müllabfuhr. In Chile kommt sie zweimal die Woche, auch zu Häusern am Hang. Der Müllmann klinget sogar.
Die groteskesten Szenen haben wir in Copacabana (Bolivien, nicht Brasilien) gesehen, wo auf einem zauberhaft gelegenen Hügel ganzjährig der heiligen Jungfrau gehuldigt wird. Ganze Familien besteigen den Berg und beten inbrünstig und ehrfürchtig zu Maria – und lassen ihren Picknickmüll direkt vor der Ikone liegen. So verkehrt sich der Hügel von einem spirituellen Wallfahrtsort zu einem absurden Monument der unbewussten aber laut schreienden Selbstanklage.
Ein weiteres Problem hat mit dem Müll nicht direkt zu tun, im Alltag aber gehen beide eine ungute (weil geruchliche) Symbiose ein: auf jeden Einwohner kommt ein wild lebender Hund. Diese sind – in bin Hundeskeptiker und ringe mir das Kompliment mühsam ab – freundlich und fast immer unaufdringliche Nachbarn. Aber ein von Ihnen verursachtes Problem, dessen Nichtbeseitigung ich ihnen altersmilde nicht vorhalten will, bestimmt die atmosphärische Stimmung der südamerikanischen Stadt.
Um es ausnahmsweise deutlich zu sagen: es stinkt permanent und überall nach Scheiße oder Müll, mit etwas Pech nach beidem.
Zum Glück gibt es hier gigantische menschenleere Naturräume, deren Betrachtung wie Trostpflaster wirkt. Touristentrost – wie schal muss er für Einheimische schmecken, die bemerkt haben, dass sie im Dreck leben.

3. Teil


Folgen wir dem Pfad der Belehrung eines masochistischen Publikums, das sich dem wissenden Gewäsch noch nicht schmunzeld entzogen hat. Nun, es wird wissen warum:

Resümee 2.
Geschäfte und Waren

Zum ersten Mal aufgefallen ist es uns in Arequipa/Peru und danach ist es uns in jeder großen Stadt begegnet: ganze Straßenzüge, manchmal ganze Viertel reihen Geschäft an Geschäft, in dem präzis die selbe Art von Waren zu kaufen ist. Meine Leser mögen sich eine Straße vorstellen, die mit nicht weniger als 20 Brillengeschäften ausgestattet ist. Dazwischen keinesfalls etwa zur Auflockerung ein Bäcker, ein Baumarkt oder ein Geschäft mit erotischer Literatur, nein, diese haben mit Ausnahme der Bäcker ihre eigenen Straßen, wo ALLE örtlichen Anbieter versammelt sind.
Dabei scheint es auf den ersten Blick auch nicht so, dass die Sortimente sich ergänzen. Gerade bei den Ständen mit den bunten indianischen Stoffen und den daraus gefertigten Mützen, Ponchos, Lamas und Nierenwärmern haben unsere kauflüsternen Recherchen eine sehr hohe Übereinstimmung des Angebotes ergeben. Dies gilt viel eurlicher noch für die Gemüsemärkte, die zu jedem Zeitpunkt eine so drastische Menge an Waren anbieten, dass ein verschüchtert beengter Menschenmagen nur noch die Frage richtung Milz hauchen kann: "wer soll denn das alles essen?"
Ich will hier nicht, den Anschein erwecken, ich hätte entschlüsselt, warum Wettbeweberber sich mit Absicht alle auf einem Haufen niedelassen. Ich darf aber Asterix in "der Arvernerschild" zitieren mit den Worten "macht ihr euch denn keine Konkurrenz?". Da die Antwort des arvernischen Wein- und Kohlenhändlers nicht weiterführt, sehe von ihrem Abdruck ab.
Annehmen kann ich nur, dass das Schafott des Preiskampfes absichtlich herbeigeführt wurde, dass also mit offenem Visier um den Kunden gekämpft wird, der direkt vor Ort vergleichen kann, ob sein Preis der beste ist.
Vergleichbare Begeisterung für Preisvergleichbarkeit ist mir im durchaus marktaffinen -analogen - Teil des alten Europas noch nicht aufgefallen.

2. Teil


Wir haben nun Rio de Janeiro, Iguazu mit seinen Fällen und eine Reise mit öffentlichen Bussen durch Peru, Bolivien und Chile hinter uns und haben auch ganz kurz in Paraguay und Argentinien vorbeigeschaut. Nun sitzen wir am Pazifik um Spanisch zu lernen und zu arbeiten (nur Lars, keine Sorge) und haben Zeit für eine kleine Bestandsaufnahme:

1. Der Kaffe

Meine Erwartungen an südamerikanischen Kaffee waren durch zwei Dinge bestimmt: zum einen eine alte Fernsehwerbung, in der Tschibo zu Bildern von lachenden Kaffeetrinkern und strahlenden Kaffeerntern die Behauptung aufstellt, die Firma vereine Menschen, "deren Leidenschaft Kaffee ist". (Sicher eine gewagte These, aber schwer zu widerlegen, sie haben letztlich ja nicht gesagt, welche Menschen sie da vereinen.) Zum andern ist der köstliche Kaffee, den Lars zuhause für uns bei Alnatura kauft, ausweislich der Plastikpackung erstens fair gehandelt und zweitens aus Peru.
Ich erwartete wunderbaren, leidenschaftlichen Kaffe, nicht weniger als ein Erlebnis.
Ich bekam: Ein langes Regal mit allen erdenklichen Sorten, Geschmacksrichtungen und Schattierungen von INSTANTKAFFEE. So heute gesehen im Supermarkt in Valparaiso, daneben 2 (in Worten ZWEI) Sorten echten Kaffees, teuer, staubig, am Rand.
Niemand scheint echten Kaffee zu vermissen, nicht in Peru, nicht in Bolivien, nicht in Chile. Die Leidenschaft für Kaffee kommt so feurig daher wie meine Leidenschaft für rote Beete: ohne Hast.
Und nein, der Grund hierfür liegt nicht in tränenseeliger Einigkeit von Markt und Marx im Preis! Der echte Kaffee ist billiger als sein staubartiges Imitat.
Über die tatsächlichen Gründe, denke ich lieber erst nach, wenn ich wieder in Deutschland bin.

Das nächste Resümee folgt morgen...

1. Teil

Ein weiterer Feind von mir ist die große Auswahl. Wenn mehr als drei Produkte einer Gattung zur Verfügung stehen, greife ich zu einen Gegenstand "mittlerer Art und Güte", nämlich den Produkt mit dem mittleren Preis und in der Mitte des Regals.
Nicht so mein Gatte: vor reichhaltigen Regalen mit Ölen für jeden erdenklichen Zweck oder Sonnencremes (ja, es war WIEDER nötig, eine zu kaufen) mit diversen Qualitäten kann er Minuten verbringen, Preise und Füllmengen vergleichen und das Design auf schmückende Blümchen untersuchen.
Meine Aufgabe ist es, diese quälende Agonie der Vertragsanbahnung gar nicht erst eintreten zu lassen, sondern durch antizipative Vermeidungsstrategien ("ich geh uns schon mal ein Öl holen, schau Du doch unterdes nach...) zu verhüten. Anderenfalls zögert sich der Marktbesuch ins unendliche hinaus und ich hole mich in den klimatisierten Supermärkten Südeuropas (und übrigens auch Amerikas) den Pips.
Manchmal, selten nur, kehre ich die Wirkungsweisen freilich um. Wenn ich selbst etwas Zeit brauche, um zum Beispiel die Auslage an Frischfisch zu bewundern (mit meinen vegetarischen Gatten ist das keine sehr freudvolle Angelegenheit) bitte ich Lars etwa, vom fußballfeldgroßen Zwiebelangebot eine geeignete auszuwählen. Dann kann ich kurz den frischen Seelachs anträumen und nach einem Blick zu meinem Gatten (welcher, eine kinderkopfgroße Zwiebel in der Hand, sich gerade fragt, ob es diese auch aus regionalem und ökologischen Anbau geben könne) dem Oktopus ein Triple aus ihm, Koblauch und mir selbst anbieten.
Es lebe die Berechenbarkeit.

Bolivien

6. Teil

Wenn Schwiegermutter mehr Bilder wüscht sollte man dem nachkommen!
1. Wüste von Salvador Dali
2. Daniel friert an der Laguna Verde
3. Ein Flamingosee in Bolivien
4. Das Grüne ist ein Baum! Das Spitze ist ein Vulkan.

5. Teil


Es ist an er Zeit, einem alten Feind von mir einen Artikel anzuverehren. Er hat mich oft schon heimgesucht und nie ganz verlassen: der gute Rat, ausreichend, ja viel Wasser zu trinken!
Dieser mein Feind lauert hinter jeder Ecke. Bei meiner Ärztin, die damit meine Erkältungen kuriert, in der Alltagkommunikation mit Freunden und Bekannten, im Wetterbericht der ARD und natürlich: im Urlaub.
Nun habe ich gegen das Trinken von Wasser im Grunde nichts einzuwenden. In der Geschichte der Menschheit war den handelnden Personen ganz sicher immer klar, dass Essen und Trinken zum Leben erforderlich sind. Zumindest bis zum ersten Vermehrungsakt muss das all unseren Ahnen klar gewesen sein, sonst hätten wir es wohl nicht bis heute geschafft. Sollte historisch nach diesem Zeitpunkt die Unvernunft eingesetzt haben, das Trinken nach erfolgter Vermehrung einzustellen, dann, aber nur dann, akzeptiere ich, dass der Rat, viel zu trinken weitergegeben werden muss, wie Oma Gretes Rezept für Heringssalat: leise, vertraulich und mit der Aura des Ernsthaften.
Wenn ich anzweifele, dass die Menschheit je in Gefahr war, das Wassertrinken zu vergessen, hat das mit dem (und hier werde ich spätestens altväterlich) guten alten Durst zu tun, der sich zuverlässig etwa drei oder vier Tage vor dem Verdursten meldet. Hier werden auch einige meiner treuen Leser nun die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und rufen: „Zum Durst darf es doch gar nicht erst kommen!“. Doch! Ich muss auch nicht wach sein, bevor er Wecker nervt, und ich stehe auch nicht in der Haustür, bevor es geklingelt hat!
Warum ich Euch mit dieser leicht übellaunigen Tirade aus dem Urlaub nerve? Weil wir gestern einen Ausflug in die Wüste (Atacama, Chile) gemacht haben. Der Veranstalter forderte alle Teilnehmer auf, mindestens zweil Liter Wasser pro Person mit zu führen (ich darf daran erinnern, was auch jeder weiß: ein Liter Wasser wiegt ein Kilo!). Wer nun erschrocken und beeindruckt von dieser Maßgabe gehorchte, hatte dann während sechs Stunden klimatisierter Busfahrt und zwanzig Minuten „Wanderung“ Zeit, seine Plastikflaschen auszunuckeln. Die Erlösung ist dann aber nicht das Überleben, sondern ein Holzhäuschen mit der Aufschrift „bano“.

Anbei noch ein Foto von dem Sandstrum, der den anschließend gelpanten Ausflug (wieder Wüste: nochmal zwei Liter trinken) verhinderte.

4. Teil

Uyuni kennen eigentlich alle Südamerikurlauber. Danach kommt auf dem Weg nach Chile aber eine Landschaft, die ich sogar noch zauberhafer finde (und Lars stimmt mir da zu): zwischen bunten Vulkanen von 6000 Metern Höhe liegen farbige Lagungen und vagabundieren Tiere, die aus unseren Zoos Urlaub zu machen scheinen. (Vielleicht sind die auch im Sabbatjahr...)

3. Teil

Auf 3500 Meter liegt in Bolivien ein Salzsee, der so groß ist wie Hessen. wir haben an der Oberfläche gekratzt, darunter war nicht Hessen, sondern 12 Meter noch mehr Salz. Und alle Touristen machen Männchen, damit sie das orIginellste Bild mit nach Hause bringen. Aber keiner schlägt meinen Lars.
Übrigens, Hauswände, Museen und Salzstreuer sind in dieser Gegend auch -aus Salz.

2. Teil

Also böse Zungen behaupten ja, dass ich nicht übermäßig geschickt bin. In der Tat kann es passieren - passiert regelmäßig - dass ich in einen Bus/ eine Bahn/ ein Flugzeug einsteige mit einem Rucksack, dem Fotoapparat, einer Jacke und einer Tüte. Dann gerate ich in Panik, mich zügig setzen zu müssen und die Sortiervorgänge geraten in Unordnung. Kurz darauf sitze ich mit einer Pobacke auf der Tüte, habe den Rucksack dort abgestellt, wo die Füße hinmüssten, habe die Jacke in das Netz für Zeitschriften gestopft und halte den Fotoapparat auf einer Schulter. Wenn Lars nicht eingreift, bleibt es bei dieser Aufstellung für die ganze Fahrt.
Dieses Verhalten ist das Ergebnis von mir wahrgenommener äußerer Zwänge und kann jederzeit auftreten.
Wer dies weiß, kan sich jetzt vorstellen, was passierte, als ich vorgestern im bolivianischen Uyuni den Nachnachfolger der vom Brasilianischen Zoll beschlagnahmten Sonnencreme frisch gekauft und unter dem Druck, Wechselgeldempfang, Lars Wünsche und die Zudringlichkeit eines Hundes koordinieren zu müssen, in die rechte Gesäßtasche stopfte.
Dort war er noch, als ich mich wenig später setzte.
Wer sich immer schon für eine Methode interessiert hat, Sonnencreme überall, aber auch wirklich überall zu verteilen, dem sei mein Vorgehen wärmstens empfohlen.
Das Thema Sonnencreme bleibt uns vermutlich so dauerhaft erhalten, wie Dick und Doof die auf der Schulter getragene Leiter

1. Teil

Falls Euch interessiert, wie unser Bus von Copacabana nach La Paz gekommen ist und die Seeenge des Titikaka überquert hat: auf einem Holzbrettchen mit Motor natürlich. Aber keine Angst, wir Passagiere saßen in einem Motorboot/Streicholzschachtel.

Peru

6. Teil

Diese Seite ist das Rauchzeichen zweier reizender Herren von der Südhalbkugel. Zweier Herren! Da der Eindruck entstanden sein könnte, es handele Wesentlichen um die Berichte eines einzelnen Herren, soll heute namentlich Lars den hier hinterlegten Gedanken Pate stehen. Selbstredend notiert er sie nicht selbst, dass wäre zu anstrengend: dafür hat er einen tüchtigen Chronisten.
Lars gefallen die Berge mit ihren Formen und Schatten, Überraschungen und Erwartbarkeiten. Er verehrt die hiesigen Vögel, unter denen der im Englischen Hummingbird genannte Kolibri seine besondere Gunst genießt, wegen seiner Präzision und wegen der Geräusche, die die emsigen Flügel in der Luft machen. Lars überwindet seine Abneigung gegen alles Politische, wenn der einzige Schmuck peruanischer Häuser die aufgemalte Wahlwerbung („Alcalde Hubert 2015“) ist. Er kann sogar schon die Embleme der unterschiedlichen Parteien auseinander halten. Aber keine Angst, er hat kein Fieber. Ihm gefällt die traditionelle Kleidung der Frauen (bunte Röcke und Schürzen, melonenartige Hüte auf dem dunklen Haar) und vor allem gefällt ihm, dass man in Südamerika sehr wohl weiß, wie man Vegetarier füttert.
Wenn man die andere Seite betrachtet, dann muss Lars wohl nicht unbedingt weitere Inka-Hinterlassenschaften erleben, und auch der Erwartung von Bewunderung für großartige Inka-Ideen wird er nicht mehr genügen wollen. Die Vereinnahmung der Inka-Vergangenheit durch die Gegenwärtigen („WIR haben ja damals schon...“) wird im nächsten greifbaren Fall dazu führen, dass Lars – ohne Rücksicht auf deren Zustand – heftig in die Auslegeware beißen wird. Wenig schätzt er – ohne, dass diese Auflistung abschließend sein muss - Trillerpfeifen, Autoalarmanlagen und Bremshügel zur Verkehrsberuhigung. Auch dass eine Busreise im Wesentlichen, nun ja, mit dem Bus bewältigt sein will, goutiert Lars in sanftem Protest gegen das Unvermeidliche nicht ohne Not.
Ihr Interessierten seht es wohl: Lars ist auch hier begeisterungsfähig, larmoyant und charmant, ganz so wie man ihn kennt.

5. Teil

Also das erste Bild zeigt Condore, die ich im Colca Canyon aufgenommen habe. Nicht ganz scharf, aber ich bin trotzdem ein bisschen stolz, sie erwischt zu haben (übrigens füttert die Tourismusverwaltung die Biester mit Tierkadavern, damit sie auch dahin kommen wo auch die Touristen sind - passend irgendwie). Zum Colca Canyon habe ich eine schwierige Beziehung, weil unser Guide immerdarauf bestand, der Grand Canyon sei nichts dagegen. Das finde ich NICHT! Die beiden anderen Bilder zeigen den See mit dem lustigen Namen (im Vordergund mich...), aber da finde ich vielleicht auch noch ein besseres.

4. Teil

Der Titikakasee trennt Peru und Bolivien. Seine Benennung führt in Deutschland ja gern zu Schmunzlern und ich möchte unter Vermeidung von Zotigkeit hinzufügen, dass sein Name zur Hälfte irreführend ist: Brüste findet man darin nämlich nicht.

3. Teil

Stellt Euch folgendes vor: man hat eine Busreise von Lima nach Cusco, der „Portalstadt“ nach Machu Pichu gebucht und seinem charmanten Gatten dies – unter Einholung von dessen ausdrücklicher Billigung – auch mitgeteilt. Eins aber hat man vergessen: ihn nämlich über die Dauer der Fahrt in Kenntnis zu setzen. Wenn einem das einfällt – und man bereits im angesprochenen Bus sitzt – ist das der erste Blitzschlag, der einen durchfährt. Und als hätte er den Gedanken hören können, kommt in diesem Moment die Frage „Sind wir eigentlich gleich da?“ Was tun? Eine Lüge, die die Stunde der Erkenntnis (22 Stunden im Luxusbus!!) zwar gnädig verschiebt, aber bitterer macht? Nein, also die Wahrheit. „Wir sind erst um 15 Uhr in Cusco.“ In einem Film würde jetzt ein Baum eingeblendet, aus dem plötzlich alle Vögel fliehen.
Aber keine Sorge, wir sind gut angekommen.

2. Teil

„EIN HINWEIS DER BRASILIANISCHEN POLIZEI:
ERNSTEN HINWEISEN ZUFOLGE HAT SICH DER DEUTSCHE TOURIST DANIEL M. EINE TARNIDENTITÄT ALS NASENBÄR ZUGELEGT. SIE ERKENNEN DEN BETRÜGER DARAN, DASS ER WIRKLICH WIRKLICH WAHNSINNIG SÜSS IST UND FREUNDLICHEN TOURISTEN IHR ESSEN ABNIMMT. DIE DIFFERENZIERUNG ZU ECHTEN NASENBÄREN FÄLLT NATURGEMÄSS SCHWER. MEIDEN SIE AUGENKONTAKT UND GEBEN SIE IHM UM HIMMELS WILLEN NICHTS ZU ESSEN. ER HAT NICHT VOR; ETWAS DAVON WIEDER ZURÜCKZUGEBEN.“

Das ist üble Nachrede: das auf dem Fahndungsfoto bin gar nicht ich!

1. Teil


Sehr gehrte liebe Frau Apothekerin,
meine Bitte um Verwendungshinweise über unseren Spezialsonnenschutz ist überholt, da nicht mehr wir, sondern die brasilianische Grenzpolizei diese nun verwenden (neben einem schweizer Messer, das mir 30 Jahre lang diente und einen Körbchen aus Palmenblättern, das eine Bedrohung für das peruanische Ökosystem darstellte – aber das sind andere Geschichten). Nun interessiert mich zwar in Grunde, ob es tatsächlich möglich gewesen wäre, einen Airbus 319 mit einer halben Tube Spezialsonnenschutz zu sprengen (und wenn ja, wie), aber Sie sehen – die Antwort darauf eilt nicht.
Den verdienten Sonnenbrand haben wir uns heute eingefangen. Aber bevor Sie nun schimpfen will ich verteidigen: NIEMAND konnte damit rechnen, dass in Lima/Peru im August (dort tiefster Winter) die Sonne scheint, diese lässt sich nämlich eigentlich zwischen Junni und September dort gar nicht blicken. Da sie es aber gleich einer liebenden Mutter nicht lassen konnte, ihre lieben Kinder zu knuddeln und zu herzen grüßen nunmehr


zwei Bräthühner aus dem spürbar äquatornahen Peru.



IGUAZU

4. Teil

Eine Nacht im Hotel Cataratas direkt an den Fällen - und man vergisst fast dass man nur ein Mensch ist.
Gestern Abend hat uns die Polizei ins Haus geschickt, weil zwei Jaguarjunge gesichtet wurden - dann weiß man wieder, dass man nur ein Mensch ist.y

3. Teil


Reiseberichte auf Trippadvisor überzeugen nicht nur durch Ihre objektive Präganz, sondern auch durch ihre Internationalität. Ein kluges Übersetzungsprogramm hat uns inspiriert, eine eigene Kritik auf Englisch zu verfassen und das Ergebnis (es soll Deutsch sein) hier einzustellen. Nur für den Fall, dass man es nicht verstehen kann: wir fanden unseren Ausflug nach Ipaitu-Damm richtig doof.

"Überprüfen Sie auf unserer tripp auf dam ipaitu

Wie wir geplant einen Tag mehr in Iguazu, als Sie es am dringendsten benötigen, haben wir beschlossen, Ipaitu Damm zu sehen. Wir erwarten eine krankhafte Denkmal der südamerikanischen Industrie mit schönen Umgebung und weit verbreitete Parks zu wandern durch.
Wir nahmen den Bus nicht. 102 von der Hauptbushaltestelle und nach einer Stunde Fahrt durch reiz Vororten wir merkten wir verpassten den Anschlag wie wir vermischt sie mit den Grenz Zugang zu Paraguay.
Ipaitu jedoch IST nichts wie Fäulnis Charme, aber Hightec Stromproduktion. So der Grund Sie nicht durch sie hindurchgehen, erhalten Sie eine geführte Tour Bus-Tour von einem jubilierenden Propaganda-Video intorduced. Sie erfahren, dass ipaitu bedeutet Singen Felsen und unter anderem auch ausgewählte Details (keiner von ihnen Kritiker, der Ursache) die Ipaitu arbeitet für eine bessere Welt.
Die folgende Bus-Tour durch Selbst genannt Führung mit einem charme bestimmter Deutsch Diktatoren führen oder, falls dies zu hart zumindest ihre sercretary der Propaganda.
Würden wir dringend empfehlen eine tripp Ipaitu dam? Wenn Sie engenineer oder nur sehr schwierig, Bohrung, das tun, was du fühlst. In einem Fall othe: einfach nicht."

2. Teil

Sehr geehrte liebe Frau Apothekerin,
Nicht dass ich Ihnen nicht dankbar wäre für den Verkauf extra starken dermatologisch getesteten Sonnenschutzes zu 25 Euro für 250 ml.
Es ist nur so, dass mein Mann und ich uneinig sind über dessen ordnungsgemäßen Gebrauch.
Daher meine Frage: können Sie unter pharmakologischen Gesichtspunkten meine Behauptung teilen, dass wenn nach drei Tagen Sonne in Rio die Tube schon halb leer ist, wir dann zu viel davon nehmen? Ich meine, es handelt sich ja nicht um Alpinaweiß - der bestrichene Gegenstand muss nicht dauerhaft weiß bleiben, oder?
Sollten Sie mich in meiner Meinung nicht bestärken können, bitte ich Sie einsichtigst um Übersendung von von 20 weiteren Tuben des genannten Produkts zu treuen Händen an den deutschen Konsul in Lima unter Belastung des Ihnen bekannten Kundenkontos.
Mit freundlichen Grüßen
Brathuhn Mayer-Gossing und der weiße Wal

1. Teil 
Ich würde diesen Artikel gerne mit dem Satz beginnen „Gestern bin ich von einem Nasenbären gebissen worden.“ Diese Behauptung hätte den glaubwürdigen Charme des Reisenden („street credibility“) und wäre origineller als „wurde vom Hai gebissen“ oder „hatte die Höhenkrankheit“.
Nur – sie würde die Wahrheit ärger strapazieren als ich es in meinen Artikeln zu tun pflege: ein Nasenbär hat auf meinem Fuß gesessen, ein Nasenbär hat meine Instant-Tomatensuppe getrunken und ein Nasenbär hat etwa 20 Fotos ruiniert, die ich von ihm machen wollte. Aber gebissen hat er mich nicht.
Und das obwohl an den Fällen von Iguazu am Dreiländereck von Brasilien, Argenitinien und Paraguay vor den Bissen des Nasenbärs sehr viel intensiver gewarnt wird als vor den Bissen des Flusskrokodils und des Jaguars. Beide sind sicher sehr unangenehm, im Dreiländereck im Grunde ohne weiteres möglich – kommen aber wohl nicht sehr häufig vor.
Nein, bitte keine übertriebene Spannungserwartung – ich bin auch von Jaguar und Krokodil (noch) nicht gebissen worden. Aber der junge Mann neben mir, der den Nasenbären (weisungswidrig ein Stück Camenbert mit Champignon-Aroma anbot – der wurde heftig in die Hand und den Arm gebissen. Ich schlussfolgere, das Nasenbären Camenbert als irgendwie kränkend empfinden. Was die Einzelheiten des Bisses angeht würde ich ja gerne auf die Website des Bissopfers verweisen, aber ich konnte ihn nicht danach fragen, da er zunächst verbunden werden musste und wohl anderes im Kopf hatte.
Aber wer könnte IHM schon böse sein?

Rio de Janeiro

2. Teil - 11. 08.2015

Rio ist ein riesiger, lauter, stinkender Moloch. Wie so oft in solchen Fällen haben wir uns sofort in Rio verliebt. Mit Neapel, Palermo und Genua ist es uns schon ähnlich gegangen. Rio ist mehr als ein gehaltenes Versprechen. Rio behauptet nirgendwo, die tollste Stadt der Welt zu sein (Berlin ist  da etwas anders). Das ist auch gar nicht nötig.


In die Boeing 747-8 der Lufthansa passen fast 400 Menschen. Wenn sich diese nach 11 Stunden Nachtflug um ein einzelnes Gepäckband am Flughafen Galeao in Rio de Janeiro drängen, ist die Atmosphäre nicht aggressiv – aber gewiss auch nicht heiter.
Wenn besagtes Gepäckband sich dann nicht in Bewegung setzt, sondern nach 20 Minuten ein kleine Türe in einer Ecke des Saales aufgeht und ein Frau mit einem Handwagen und 4 Gepäckstücken darauf erscheint, kurz darauf eine zweite, und beide ohne Eile beginnen, die Gepäckstücke unter den Wartenden zu verteilen, macht sich Unruhe breit.
Fast 400 Menschen eilen zur dieser Tür der letzten Hoffnung und sortieren sich um ein Tischtennisplattengroßes Terrain, auf dem die Handwagen mit Koffern abgestellt werden. Nicht viele versteht sich, denn viele passen dort nicht hin. Abgeklärte schütteln den Kopf und murmeln nur „Galeao“ als erkläre die bloße Nennung des Flughafens schon alle obwaltenden Umstände. Ersterfahrende betrachten die Szene mit einer Mischung aus Faszination und Entsetzen. Die Ersten zücken Handys und filmen die Szenen, wie die Damen mit den Handwagen vergeblich versuchen, eine Bresche durch das Menschengewirr zu brechen. Das System erreicht nach Minuten seine erwartbare Belastungsgrenze, als nämlich die Eigentümer der zu verteilenden Koffer ganz hinten stehen und von den vergeblich Hoffenden ganz vorn nicht durchgelassen werden. Neue Kofferwagen mit neuen vier Koffern können mangels verfügbaren Raumes nicht gebracht werden.
Die beiden Kofferdamen rufen entrüstet etwas auf Portugiesisch und ziehen sich dann zurück. Wenig später springt am anderen Ende des Raumes das Kofferband an und 400 Menschen – übermüdet und säuerlich – spurten dorthin. Doch das Band bringt keine Koffer.
Statt dessen öffnet sich nach einigen Minuten die Türe wieder und die beiden Damen bringen weitere Kofferfuhren (je 4 Koffer – wie gehabt) – nun haben sie kurzfristig Platz, neue Portionen abzuladen. Das Ende dieses fröhlichen Zustandes ist absehbar als fast 400 Menschen – müde und jetzt fast wütend – den beiden entgegenlaufen.
Das unvermeidliche Chaos löst sich Minuten später (nun ja) auf, als auf dem laufenden Gepäckband tatsächlich Koffer erscheinen. Die nun nötige Konzentration der Wartenden, sowohl Kofferband als auch die Damen an der Türe im Auge zu behalten, ob den eines von beiden die ersehnten Koffer bringe – bewahrt die Damen davor Opfer eines lynchbereiten Mobs zu werden. Nach einer weiteren Stunde sind die Koffer verteilt und die Freude über zurückerhaltene Gepäckstücke überlagert die Mordlust. Lynchjustitz stünde wohl auch außer Verhältnis für die zwei Damen, die soeben ohne erkennbare Hilfe die Gepäckstücke von fast 400 Reisenden – mittlerweile stehend k.o. - aus einer Boeing 747-8 entladen haben.
Willkommen in Rio.

Teil 1  - 7. August 2015

Ein rotes T-Shirt mit aufgedrucktem Fahrrad, das länger gewordene Haupthaar zum spärlichen Zopf auf dem Hinterkopf und erste Falten um Augen und Mund: in Berlin wäre die Diagnose klar – Prenzelberger in der Midlife-Crisis (wobei Zweiteres von Ersterem ja ohnehin nur in seltenen Fällen zu trennen ist).
Für die Bundespolizei jedoch war mein Äußeres Anlass, mich vor Entlassung nach Südamerika zweimal mit meinem Fotoapparat zum Sprengstofftest zu schicken („Mit so was würd' ich niemals Witze machen, junger Mann.“ Für den Nachsatz habe ich ihm einiges verziehen.). Außerdem kam ich in den Genuss einer Leibesvisitation, die die Grenzen des Schicklichen mutig abtastete. Dennoch habe ich der Evaluation des Sicherheitsdienstes („Ist für die Statistik, wissen Se?“) ein flottes sehr gut gegeben – denn meine Kamera war zum Zeitpunkt der Befragung noch nicht vom Sprengstofftest zurück. Eigentlich habe ich vor, der Bundespolizei Frankfurt zu schreiben (aber gepfeffert!) und gegen diese Form der Evaluation zu protestieren. Aber mir ist dann eingefallen, dass ich meine Studenten ja auch um Evaluation gebeten habe, bevor diese die Ergebnisse ihrer Prüfungen kannten, und mein Zorn auf die Bundepolizei schwand. Und ich durfte dann ja doch nach Rio.

Prolog (Ende Juli 2015)

Man kann es ja alles ganz nüchtern sagen: Lars und Daniel brechen im August 2015 zu einer Reise durch Südamerika auf. Sie fliegen nach Rio, besuchen die Fälle von Iguazu, nehmen an einer organisierten Reise von Lima über Bolivien nach Chile teil, leben dort acht Wochen und fahren abschließend mit dem Schiff um Kap Horn, um im Dezember 2015 von Buenos Aires wieder nach Hause zufliegen.
Aber Nüchternheit ist meine Sache nicht.
Die Ansparphase eines Sabbatjahres hat mit der Teilzeitarbeit (die sie ja ist) nur zu tun, wenn man auf das Bankkonto schaut. Dies liegt in der Natur der Dinge und findet seine Entsprechung in der Freistellungsphase des Sabbatjahres, die ebenfalls nicht an Teilzeitarbeit erinnert – aber insofern schon herausfordernd ist, als der Sabbatist mittels Vollbremsung herausfinden muss, was man eigentlich tut, wenn man nicht arbeitet. Aber ich schweife ab: Ich will meine para-religiösen Zweifel hier unerwähnt lassen, ob mir mangels des Verdienstes, Welten geschöpft zu haben oder wenigstens mosaischen Glaubens zu sein, überhaupt buchstäblich ein Sabbatjahr zustehen könne (das Ergebnis der längeren Zwiesprache mit mir selbst war „ja“). Ich will auch die Gründe für unsere Reise auch nicht aufwendig auf eine Metaebene heben (nicht weil es diese nicht gäbe, sondern aus reiner Rücksicht auf meine Leser).
Es ist ganz einfach: Wir verbringen fast fünf Monate in Südamerika, weil es Lars‘ Lebenstraum war, sehr gut Französisch zu lernen. (Bitte keine warnenden Emails zur Verhütung von Enttäuschungen: Kompromisse wurden gesucht und gefunden). Mein Lebenstraum ist einfacher: eine ganze Schüssel Spaghetti ohne Soße (nur mit ein wenig Butter) ohne Besteck zu essen – aber den habe ich mir vor ein paar Wochen erfüllt.
Ich möchte reisen, um zu erfahren ob die Natur vielleicht noch Kühneres als Monte Stromboli und den Gran Canyon (meine volkstümlichen Favoriten) zu bieten hat.
Lars freut sich auf eine unbekannte Natur (ich vermute auf die „good guys“ fremder Natur, wie zauberhafte Schmetterlinge, duftene Dschungelblunen und aktivistische Kolibris. Über den würgenden Grottenolm, die schrägnasige Plumsotter und den nervös-toxischen Marathonskorpion berichte ich vielleicht später).
Sorgen machen mir neben der vor Sekunden erfundenen Plumsotter (gerade erdacht und schon bedrohlich – eine Spielwiese für Terrorismusexperten) vor allem die Hygiene der Toiletten auf dem Inkatrail und Lars ist immer noch beuruhigt, ob sein Französisch für Chile reicht.
Zum Ende des Prologes entleihe ich noch ein paar anfeuernde Zugrunze für den Aufbruch aus ein paar von mirgeschätzten Filem:
„Ein Hauch von Schicksal!“ (Göttin Calypso in Fluch der Karibik 2)
„Aber ICH helfe Dir doch!“ (der vergessliche Fisch Dorie zum grummeligen Fisch Malin in Findet Nemo.)
„Das ist Musik in meinen Ohren! Shrek und Esel brechen auf zu einem fulminaten Grußstadtabenteuer.“ (Esel in Shrek – der tollkühne Held).

Wir melden uns auf dieser Seite, wenn wir in Rio sind.
Shrek und Esel, äh Lars und Daniel